Der Gesetzgeber hat mit Wirkung zum 09.11.2022 das „COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz“ (COVInsAG) in das „Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen“ (SanInsKG) umbenannt und um wesentliche temporäre Regelungen ergänzt. Das Ziel dieses Gesetzes besteht darin, die durch den Ukraine-Krieg ausgelösten makroökonomischen Herausforderungen, die erheblichen Preissteigerungen auf den Energie- und Rohstoffmärkten und die damit einhergehenden finanziellen Belastungen für Unternehmen abzufedern.
Eine der wesentlichen Regelungen des SanInsKG betrifft die befristete Anpassung der gesetzlichen Vorschriften zur Insolvenzantragspflicht bei einer vorliegenden Überschuldung des Unternehmens (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO). Gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SanInsKG wird der Prognosezeitraum für die insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose von zwölf auf vier Monate verkürzt, um den Prognoseunsicherheiten bei der Planung Rechnung zu tragen. Diese Regelung hat zur Folge, dass die Gesellschaft lediglich über einen Zeitraum von vier Monaten über ausreichend finanzielle Mittel verfügen muss, um ihre Verbindlichkeiten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu bedienen (sog. Durchfinanzierung). Die Verkürzung des Prognose- und Planungszeitraums betrifft auch die Eigenverwaltungsplanung (§ 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO) und den Finanzplan bei der Stabilisierungsanordnung im Rahmen der Restrukturierungsplanung (§ 50 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG).
Der verkürzte Prognosezeitraum gilt gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 SanInsKG nur bis 31.12.2023. Die künftige Rückkehr zum Zwölfmonatszeitraum sollte jedoch schon ab September 2023 berücksichtigt werden, wenn absehbar ist, dass auf Grundlage der ab dem 01.01.2024 wieder auf einen zwölfmonatigen Zeitraum zu beziehenden Prognose eine Überschuldung bestehen wird. Zwar stellt die Verkürzung des Prognosezeitraums eine Entschärfung des Insolvenzantragsgrunds der Überschuldung dar. Jedoch ersetzt sie keineswegs die Auseinandersetzung mit der mittel- bis langfristigen Unternehmensplanung. Diese sollte auch weiterhin über den Viermonatszeitraum hinaus aufgestellt, regelmäßig auf ihre Plausibilität überprüft und bei Änderungen der Umstände angepasst werden. Dies empfiehlt sich nicht nur aufgrund des zeitnahen Endes der gesetzlichen Regelung, sondern bereits vor dem Hintergrund der Pflicht zur Krisenfrüherkennung gemäß § 1 StaRUG im Vorfeld der Insolvenzantragspflicht.
Autoren: Marie Tierhold und Maximilian Plönissen, München
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