Die EU-Kommission hat sich mit der Maßnahme 9 des Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums (COM(2018) 97) die „Stärkung der Vorschriften zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen“ zum Ziel gesetzt. In diesem Kontext arbeitet die EU derzeit an einer Reform der EU-CSR-Richtlinie (Non-Financial Reporting Directive (NFRD) 2014/95/EU). Hierzu wurde die EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) Mitte 2020 beauftragt, konzeptionelle Grundlagen für ein Verfahren zur Erstellung von EU Non-Financial Reporting Standards zu erstellen. Die in diesem Zusammenhang durchgeführte Analyse bereits bestehender, meist privater Initiativen zur Berichterstattung von ESG (Environmental-SocialGovernance)-Themen ergab in mehrfacher Hinsicht eine große Vielfalt. Dabei spielt die Frage, welche Informationen für die Berichterstattung als wesentlich angesehen werden, eine zentrale Rolle.
Wesentlichkeit ist der konzeptionelle Rahmen für die Entscheidung, welche Informationen mit welcher Priorisierung offengelegt werden sollen. Diese Einschätzung soll unter Berücksichtigung der Bedürfnisse und Erwartungen aller Stakeholder - also der Adressaten der Berichterstattung - getroffen werden. Bei dieser äußerst wichtigen Abwägung kann zwischen drei Perspektiven unterschieden werden:
Aus den Unterlagen des EFRAG für die „Outreach Events“ im Januar 2021 (www.efrag.org) geht hervor, dass die EU in ihrer überarbeiteten EU-CSR-Richtlinie das Konzept der doppelten Wesentlichkeit vorschreiben wird. Deshalb schlägt die EFRAG einen EU-Standard vor, der die „Nachhaltigkeitswesentlichkeit“ und die „finanzielle Wesentlichkeit“ definiert und das Konzept operationalisiert. Zudem fordert die EFRAG einen Standard, nach dem die Unternehmen ihren Prozess zur Festlegung der Wesentlichkeit beschreiben sollen, um die notwendige Transparenz herzustellen. Es bleibt abzuwarten, wie die EU die Elemente der finanziellen und der nachhaltigen Wesentlichkeit gleichzeitig berücksichtigen wird, denn laut EFRAG ist die Schnittmenge nicht ausreichend.
Anfang Februar 2021 hat die IFRS Foundation aufgrund der positiven Antworten zu ihrem Konsultationspapier (siehe WTS Journal 05/2020) beschlossen, eine detailliertere Analyse der Anforderungen an ein Sustainability Standards Board (SSB) vorzunehmen. Dessen Ziel sind global einheitliche Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Sollte es zur Gründung des SSB kommen, wird die EU mit diesem zusammenarbeiten müssen. Aus dem Konsultationspapier geht hervor, dass die IFRS Foundation zunächst den Fokus auf die etablierte finanzielle Wesentlichkeit legen möchte, um Komplexität zu vermeiden. Hier könnte sich ein Konflikt mit der EU anbahnen.
Autor: Harald von Heynitz
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