Die EU veröffentlichte am 21.04.2021 den Entwurf einer Richtlinie zu einer weiterentwickelten Nachhaltigkeitsberichterstattung. Im EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums hatte sich die Kommission die Aufgabe gegeben, die bestehenden Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung so zu erweitern, dass sie zur Erreichung der Ziele des EU Green Deals mit beitragen kann. Denn die bisherige nichtfinanzielle Berichterstattung genügt diesen gestiegenen Anforderungen nicht mehr. Ferner sollen zukünftig die Informationsbedürfnisse sämtlicher Stakeholder berücksichtigt werden und nicht nur die der Investoren und Shareholder.
Der Richtlinienentwurf erweitert den Kreis der von der Berichterstattung betroffenen Unternehmen auf alle Kapitalgesellschaften, die groß im Sinne des HGB sind, unabhängig davon, ob sie den Kapitalmarkt nutzen, und definiert den Mindestinhalt der Berichterstattung. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung soll fester und integrierter Bestandteil des Lageberichts werden. Folglich wird ein separater Bericht nicht mehr möglich sein. Dies führt bei großen Kapitalgesellschaften zu einer Prüfungspflicht mit zunächst begrenzter Sicherheit („limited assurance“). Die Kommission plant, eigene Prüfungsstandards für eine Prüfung mit hinreichender Sicherheit („reasonable assurance“) zu entwickeln. Zusätzlich ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung in elektronisch lesbarer Form nach dem „European single electronic format“ („ESEF“) zu erstellen.
Der Richtlinienentwurf soll bis Mitte März 2022 verabschiedet und bis Ende 2022 in nationales Recht umgesetzt werden, so dass die Regelungen für am 01.01.2023 beginnende Geschäftsjahre in Kraft treten können. Anfang 2024 wären dann die ersten Lageberichte mit integrierter Nachhaltigkeitsberichterstattung für das Geschäftsjahr 2023 zu publizieren.
Ab 2026 sollen auch kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU), die den Kapitalmarkt nutzen, eine Nachhaltigkeitsberichterstattung vornehmen. Für diese sollen eigene, weniger anspruchsvolle Berichtsstandards bis Oktober 2023 erarbeitet werden.
Die Richtlinie stellt klar, wie die doppelte Materialität in der Berichterstattung umgesetzt werden soll. Unternehmen müssen sowohl über die Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf Umwelt und Gesellschaft (inside-out view) als auch über die Folgen von Nachhaltigkeitschancen und -risiken auf ihre Entwicklung, Leistungsfähigkeit und Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (outside-in view) berichten. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung betrifft vornehmlich in fernerer Zukunft liegende Ziele, weshalb sie eine langfristige Perspektive einnehmen muss.
Die Kommission hat mit dem Richtlinienentwurf festgelegt, die EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) mit der konkreten Ausgestaltung von Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu beauftragen. Dabei soll sie einen transparenten „Due Process“ verfolgen. Die eigene Erarbeitung dieser Standards wird mit der notwendigen Kohärenz zu bereits bestehenden EU-Vorschriften, wie z. B. der Offenlegungs-VO und der Taxonomie-VO, begründet. Dennoch soll die EFRAG bei dieser Aufgabe auch mit den unterschiedlichen privaten, internationalen Standardsettern (z. B. GRI, TCFD, SASB) und dem in Planung befindlichen Sustainability Standards Board der IASB Foundation zusammenarbeiten.
Mitte nächsten Jahres dürften die ersten Entwürfe der EFRAG zur Kommentierung veröffentlicht werden und die spannende Frage ist, wie sie den vom Richtlinienentwurf gesetzten Rahmen füllen werden.
Autor: Harald v. Heynitz
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